Namensgeberin und Leitbild

Edith Stein

Auf was zielt der Ausdruck „Leitbild“? Dies ist nicht abgedeckt durch den Schultyp im Sinne von mathematisch-naturwissenschaftlichem, musischem  Zweig usw. des Gymnasiums oder der Realschule. Es geht offensichtlich um etwas, was eine einzelne Schule ganz konkret auszeichnet, und das doch auf eine allgemeine Bedeutung zielt, bei der im Besonderen die eigentliche Zielgruppe von Schule, die jungen Menschen und deren Werde- und Wachstumsprozess, und dies nun auch als pädagogische Aufgabe, in den Mittelpunkt rückt. Es läge insofern nahe, die Inhalte bei der Ausformulierung eines derartigen Leitbildes aus der Pädagogik bzw. den sog. Erziehungswissenschaften zu gewinnen. Doch die Verwissenschaftlichung der Pädagogik hat zur Folge, dass ihre Theorien schwerlich zur Leitbildgewinnung umsetzbar sind. – Es gibt aber ebenso die andere, traditionelle Bedeutung von „Leitbild“, meist in Verknüpfung mit der Person, nach der die Schule benannt ist. Auch bei staatlichen Schulen werden nicht selten solche Leitbilder aus dem religiösen Bereich gewählt, durchaus im Sinne des gewünschten Profils der Schule selber. Unsere Schule hat solch ein Leitbild: Edith Stein. Hierbei handelt es sich um eine Frau, die nicht nur im religiösen Bereich, sondern auch als Wissenschaftlerin und als Pädagogin Vorbild ist, von ihrem Charakter her, als Deutsche, die zugleich Jüdin war, wie nicht zuletzt als Frau. Denn sie hat das Frauenbild emanzipatorisch in beeindruckender Weise mitbestimmt. Edith Stein wurde am 12.10.1891 in Breslau als 11. Kind einer jüdischen Familie geboren. Nach einer Glaubenskrise in ihrer Jugend studiert sie Lehramt und Philosophie. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei dem Begründer der zur damaligen Zeit international führenden philosophischen Richtung der Phänomenologie, Edmund Husserl, und erwirbt den Doktortitel in Philosophie. Später wird sie Lehrerin und setzt sich auch für die Qualifikation und die Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen ein. Nach einer eingehenden Beschäftigung mit dem Katholizismus konvertiert sie zum Christentum und tritt 1933 in das Kloster der Karmelitinnen in Köln ein. Auf der Flucht nach Holland wird Edith Stein jedoch von den Nationalsozialisten nach Auschwitz deportiert und dort am 9. August 1942 ermordet. Am 11. Oktober 1998 erfolgte in Rom ihre Heiligsprechung.

Edith Stein ist die Namensgeberin unserer Schule und außerdem Pädagogin, Wissenschaftlerin, Jüdin sowie Heilige. Das hat ein integratives Element, das in der heutigen pluralistisch geprägten Gesellschaft mehr als bedenkenswert ist. Sie verbindet in einer Person verschiedene Kulturen und Religionen, eigentlich universal, als jüdische Deutsche und Christin. Sie ist zudem eine international renommierte Wissenschaftlerin: integrativ, weltoffen, gelingendes Menschsein fördernd, vor allem im Hinblick auf die wirklich lebenswichtigen Dinge, und dennoch gleichzeitig fachkompetent. Das zu verbinden ist ja im Grunde die Kunst in der modernen Schulpädagogik. Wie realisiert die Schule das? Einmal im Jahr feiern alle Schüler der 5. Klassen im Oktober den Edith-Stein-Tag. Hierbei werden sie über das Leben und Wirken der Namenspatronin ihrer Schule informiert. Aber auch darüber hinaus gilt es, sich ganz bewusst mit der Person der Edith Stein auseinanderzusetzen, mit dem, was sie geleistet hat, auch in der Schule, gerade in Hinblick auf die eben genannten Qualifikationen:

Integrativ: Sie war nicht vereinseitigend pragmatisch, sondern ganzheitlich orientiert. Dies ist auch heute für uns ein hoher Wert.
Weltoffen: Sie hatte ein universales Interesse und Engagement für alles Wesentliche. So nahm sie auch soziale Aufgaben wahr (u.a. arbeitete sie im Ersten Weltkrieg als Lazarettschwester.) Die Schule versucht dies auch nach außen wirkend umzusetzen (verschiedene soziale Projekte).
Fachkompetenz, zugleich gelingendes Menschsein fördernd: Einzelne Schulfächer sind besonders geeignet, ihre wissenschaftlichen Verdienste und menschlichen Qualitäten zu reflektieren, v.a. Deutsch, Religion, Sozialkunde, Geschichte, immer wieder auch fachübergreifend – insgesamt im Sinne eines gelingenden Menschenlebens vor allem im Hinblick auf das für den Menschen Wesentliche, was auch in heutiger Zeit eine explizit religiöse Komponente hat. Wo aber in einer staatlichen Schule verschiedene Religionen zu beteiligen sind, sollte man auch hier um einen verbindenden Austausch bemüht sein, in der Weise, dass jeder Art von Diskriminierungstendenzen entgegengearbeitet wird, wobei von Edith Stein ebenfalls viel zu lernen wäre.
Edith Stein war Europäerin und Wissenschaftlerin von internationalem Rang. Dass sie überdies für die Frauenbewegung große Bedeutung hat, speziell für die Gleichstellung der Frau, ist ebenfalls sehr aktuell. Zugleich führt dies unmittelbar hin zu ihren pädagogischen Leistungen: Gerade als Pädagogin hat sie sich maßgebend für viele junge Frauen um eine sachlich fundierte Aufwertung der Rolle der Frau bemüht. Alles in allem ist zu bemerken: Es gibt nicht viele Frauenbilder, die die Universalität, die umfassende Bildung, geistige Größe, soziale Kompetenz und Aufopferungsbereitschaft so wie sie verkörpern. Sie hatte Tugenden und Qualitäten, die allgemein für die Menschheit wichtig, ja unverzichtbar sind, besonders auch heute, in einer Welt, die immer mehr Brüche aufweist, nicht zuletzt auch moralischer Art.

Unsere Leitlinien graphisch dargestellt

Staatliche Realschule Parsberg

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