Wer sich seiner Vergangenheit nicht erinnert, ist verurteilt, sie zu wiederholen

„Wer sich seiner Vergangenheit nicht erinnert, ist verurteilt, sie zu wiederholen“ (nach Santayana) ist der Leitspruch, gemäß dem jedes Schuljahr für die zehnten Klassen eine Exkursion zur Gedenkstätte Flossenbürg stattfindet – so auch dieses Schuljahr. Am 18. und 19. Oktober fuhren jeweils drei zehnte Klassen ins Konzentrationslager, wo bereits die Referenten auf sie warteten. In Gruppen eingeteilt durften diese eine zweistündige Führung miterleben.

Zu Beginn sollten sich die Schüler erst einmal auf dem ehemaligen Lagergelände orientieren und erfahren, welche Gebäude aus der NS-Zeit noch erhalten sind, welche abgerissen und welche nachgebaut wurden. Anschließend versammelten sich die Gruppen auf dem Appellplatz, wo sich die Häftlinge morgens und abends zur Zählung aufstellen mussten. Befand sich einer von ihnen auf der Flucht, mussten die anderen Häftlinge solange am Appellplatz stehen bleiben, bis man den Geflüchteten fand. Der längste Appell dauerte 72 Stunden. Darauffolgend informierten die Gruppenführer über den Tagesablauf der Lagerinsassen, die oft tagsüber in einem der vielen Außenstellen des Konzentrationslagers arbeiten mussten. Nach dem zynischen Motto „Arbeit macht frei“ wurde die Arbeitskraft der Häftlinge so lange ausgebeutet, bis sie dadurch zu Tode kamen und somit auf diesem Wege der Inhaftierung entgingen. Hatte ein Häftling einen Arbeitsunfall, wurde er bei der ärztlichen Untersuchung nur danach, ob er in Zukunft arbeitsfähig sein würde oder nicht, beurteilt. Für arbeitsunfähig Erklärte wurden nicht mehr medizinisch versorgt, sondern lediglich in Sterbebaracken abgeschoben, wo sie ihrem Schicksal überlassen wurden. Bei der nachfolgenden Besichtigung der Duschräume erklärten die Referenten eindrucksvoll, wie man den Lagerinsassen ihre Würde, ihr Selbstbewusstsein und ihre Menschlichkeit raubte. Durch das Zuteilen einer Nummer anstelle ihres Namens, das Wegnehmen ihrer eigenen Kleidung und das  Scheren der Haare nahm man ihnen ihre Identität und Individualität. Das Selbstbewusstsein und die menschliche Würde wurde durch Einprügeln auf nackte Menschen unter der Dusche sowie durch Abbrausen mit eiskaltem und siedend heißem Wasser im Wechsel zu brechen versucht. Im Ausstellungsraum konnten die Schüler dann unter anderem die Häftlingskleidung und ihre Kennzeichnung mit Wimpeln nach verschiedenen Gruppen (Juden, Homosexuelle, Sinti und Roma, politische Häftlinge…) betrachten. Am bedrückendsten war sicherlich der Gang durch das „Tal des Todes“, wo in einem Krematorium die Leichen der getöteten bzw. verstorbenen Häftlinge verbrannt wurden.

Am Ende der Führung, die einen Einblick in die Unmenschlichkeit und Grausamkeit der Verfolgungen in der NS-Zeit am konkreten Beispiel des Lagerlebens geben sollte, blieben die teilnehmenden Schüler und Lehrkräfte mit der unbeantworteten Frage zurück, wie es sein konnte, dass Menschen, die außerhalb ihres Dienstes im KZ ein normales, sozial unauffälliges Leben führten, in der Lage waren, die Verfolgten im Lager so unmenschlich zu behandeln, zu quälen, zu schikanieren oder gar zu ermorden.

Isabel Kölbl